Rechtliches

Masern-Bußgeld: Ruhendstellung bzw. Aussetzung 

27. Jan 2024

!!! OLG Celle –  Stopptaste für Masern-Bußgeldverfahren !!! 

Endlich: Eltern von Schulkindern, die für ihre Masern-Impfentscheidung jetzt Bußgeld zahlen sollen, dürfen aufatmen. In einem Schreiben des OLG Celle vom 15.02.2024 heißt es:

“ …wird die Entscheidung über den Zulassungsantrag wegen der Vorgreiflichkeit der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen die Regelungen zur Nachweispflicht für die in Einrichtungen i.S. von § 33 Abs. 3 IfSG betreuten schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen in § 20 Abs. 12 S. 1 IfSG zunächst zurückgestellt.“ 

Überraschend ist diese Entwicklung nicht. Mit Beschluss vom 15.01.2024 hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) nochmals klargestellt, dass es keine (faktische) Impfpflicht gibt (20 CS 23.1910 bzw. 20 CE 23.1935, Rn. 24 ff. – so vorher schon im Beschluss vom 21.09.2023, 20 Cs 23.1432)

Die Begründung zu dem Beschluss vom 15.01.2024 (Rn. 29) bzgl. Masern-Zwangsgeld lautet: „Ausnahmen und Freiheitsräume von dem Erfordernis einer Impfung oder Immunität, die nach Ausschöpfung der gesetzlich vorgesehenen Befugnisse verbleiben, sind danach hinzunehmen, zumal sie verfassungsrechtlich relevant – wenn nicht sogar geboten – sein dürften …“

Rechtlich für Bußgeldverfahren besonders brisant: Der BayVGH hat im Beschluss vom 15.01.2024 (unter Rn. 30) deutlich ausgeführt, dass die beiden anderen Nachweisvarianten in § 20 IfSG nicht willentlich zu beeinflussen sind: „Wer nicht immun ist oder keine Kontraindikation aufweist, kann daran willentlich nichts ändern und daher auch keinen Nachweis über die Immunität oder eine Kontraindikation vorlegen, um keinen Impfnachweis vorlegen zu müssen.“ 

§ 20 IfSG ist eine verwaltungsrechtliche Vorschrift. Daher sind die Verwaltungsgerichte zuständig, diese Vorschrift auszulegen. Ein Oberlandesgericht würde seine Kompetenzen massiv überschreiten, wenn es sich i. R. eines Bußgeldverfahrens anmaßen würde, eine Vorschrift anders auszulegen als die zuständigen Oberverwaltungsgerichte. Gleiches gilt für die Amtsgerichte, die über Masern-Bußgelder zu urteilen haben.  

Ein thüringer Amtsrichter, der seine Zuständigkeiten (angeblich) überschritten hatte, wurde erstinstanzlich im Sommer 2023 wegen Rechtsbeugung verurteilt: www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/weimar/familienrichter-corona-masken-prozess-urteil-100.html.  

Es ist sehr zu hoffen, dass sich jetzt auch die Amtsgerichte besinnen und zumindest die bereits laufenden Masern-Bußgeldverfahren aussetzen. Erste Amtsgerichte haben bereits ausgesetzt. Aufgrund des BayVGH-Beschlusses und OLG Celle steht fest: Bis zur Klärung der offenen Rechtsfragen durch das Bundesverfassungsgericht ist davon auszugehen, dass es keine Impfpflicht gibt und daher auch keinen Vorwurf, wenn kein Nachweis vorgelegt wurde. 

Laufen Amtsrichter Gefahr, eine Rechtsbeugung zu begehen, wenn sie trotzdem Bußgelder verhängen? Dafür genügt seit einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 1994 „bedingter Vorsatz“. Ein Verstoß gegen das Verschuldenserfordernis für eine Ahndung mit Bußgeld ist elementar. Kein Richter kann ernsthaft behaupten, dass er sich der grundlegenden Bedeutung dieser verletzten Rechtsregel für die Verwirklichung von Recht und Gesetz nicht bewusst gewesen sei (vgl. MünchKomm/Uebele, StGB, 2. Aufl. § 339 Rn. 64). Einige Amtsgerichte haben das bereits erkannt und die Masern-Bußgeldverfahren ebenfalls ausgesetzt, u. a. das Amtsgericht Görlitz. 

Wenn Ihr Bußgeldverfahren noch beim Ordnungsamt läuft, beantragen Sie bei der Bußgeldbehörde (Ordnungsamt) das Ruhen des Verfahrens. Hierfür können Sie das Textmuster E4A aus dem Elternpaket verwenden. Wenn beim Amtsgericht ein Masern-Bußgeldtermin bevorsteht, beantragen Sie dort eine Aussetzung des Verfahrens. Fügen Sie diesen Beitrag bei. Sorgen Sie dafür, dass dem Amtsrichter die Masern-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2022 (dort Rn. 145) sowie die beiden Beschüsse des BayVGH vom 21.09.2023 sowie vom 15.01.2024 vorliegen.  Wenn Sie zu Masern-Bußgeld verurteilt werden, legen Sie fristgerecht Rechtsbehelfe ein (Frist: 1 Woche). Sie erhalten vom Amtsgericht eine Rechtsbehelfsbelehrung. Eine Begründung Ihrer Rechtsbehelfe muss nach Eingang des begründeten Urteils binnen eines Monats durch einen Rechtsanwalt erfolgen.